Vlissingen – Cherbourg – Camaret sur Mer
Direkt zu Anfang hatten wir uns viel vorgenommen. Unser Ziel war es, so schnell wie verantwortungsvoll möglich, durch den Englischen Kanal Richtung Westen und dann links ab über die Biskaya nach Galizien zu kommen. Das Schiff war fit, einzig wir zwei wussten nicht, ob das für den Anfang die richtige Entscheidung war. Waren wir doch die letzten zwei Jahre keine langen Etappen mehr gesegelt und letztes Jahr hatten wir unsere Tosimotu mehr bewohnt als gesegelt. Doch es stellte sich schon in den ersten Stunden nach dem Ablegen in Vlissingen heraus, dass es genau das war, was wir vermisst hatten. Das es das war, was wir wollten und wo wir uns wohl bei fühlen. Das Gefühl auf dem Wasser zu sein und unsere Tosimotu wird vorwärts bewegt durch den Wind in den Segeln und das Rauschen der Wellen ist Musik in unseren Ohren. Wir freuten uns also auf die vor uns liegenden 248sm bis Cherbourg.
Der Gezeitenstrom entlang der Küste Richtung Oostende half kräftig mit bei der Fahrt Richtung Westen. Natürlich kommt nach sechs Stunden dann für sechs Stunden die Ernüchterung die heißt Gegenstrom. Aber unser Plan sah vor, die engste Stelle des Ärmelkanals, zwischen Calais und Dover mit dem Richtung Westen laufenden Tiedenstrom zu passieren. Unterstützt wurden wir durch ein stabiles Hochdruckgebiet über Großbritannien welches uns einen stetigen Ostwind bescherte.
Die Nächte erlebten wir unter sternklarem Himmel. Ein Himmel in seiner Klarheit, wie wir ihn bisher nur auf dem Wasser, fern ab von jeglichem Licht, erlebt hatten. Lediglich am Horizont zogen die großen Ozeanriesen, teilweise hell erleuchtet, ihres Weges.
Das Rauschen der Wellen die das Schiff umspülen kommt uns Nachts noch viel intensiver vor. Das mag daran liegen, dass man die Wellen nicht seiht, sondern nur hört. Man verschmilzt mit der Natur, nimmt Empfindungen viel deutlicher wahr.
Für Mitte Juli hatten wir uns auf warme Sommernächte gefreut und dementsprechend unsere wärmende, wind- und wasserabweisende Segelbekleidung verstaut. Der Meteorologe würde in seiner Wettervorhersage erzählen: „die Nächte sind für diese Jahreszeit zu kühl“. So erlebten wir die Nächte auch, kühl und vor allen Dingen feucht.
Irgendwann des Nachts fängt es an zu tropfen. Ein Blick in den sternenklaren Himmeln offenbart jedoch, das kann kein Regen sein. Nein es tropft kontinuierlich aus den Segeln. Und stehen die Segel mal back und blähen sich dann mit einem Schlag wieder unter dem Druck des Windes auf kommt von oben auch schon mal ein Schauer. Also verkriecht sich der Wachgehende in eine Wind und Wasser geschützte Ecke oder wie wir es machen, segeln einfach mit Kuchenbude.
Unser Tagesablauf wird bestimmt durch den Rhythmus der Gezeiten, Tag und Nacht, Wache gehen, Navigationsinstrumente regelmäßig beobachten und Logbucheinträgen. Auf unserem Stop in Cherbourg trafen wir uns mit unseren „alten Bekannten“ Margot und Axel von der Max II und lernten Frank von der Invidia und Peter und Angela von der Mizar kennen und verbrachten mit allen schöne, gesellige Stunden bei sommerlichen Temperaturen.
Nach drei Tagen ging es wieder weiter gen Westen. Das 176sm entfernte Camaret sur Mer wartete auf uns. Die Bedingungen waren ähnlich der ersten Etappe und so lief alles seinen gewohnten Gang. Und dann erlebst Du etwas, auf das Du Dich Jahre gefreut hast und denkst du bis gut vorbereitet. Ich sitze früh morgens im Cockpit, eine weitere Nacht liegt hinter uns und die Morgensonne vertreibt die Kälte und Feuchtigkeit aus meinen Gliedern. Susi hat Freiwache und schläft.
Gedankenverloren, soll ich mir jetzt schon einen frischen wärmenden Kaffee aufbrühen oder doch erst später, nehme meine Ohren ein leichtes Schlagen und Blasen neben dem Schiff wahr. Plötzlich hellwach, ob der ungewohnten Geräusche, traue ich meinen Augen nicht. Da sind sie, Delfine. Eine ganze Gruppe dieser verspielte, friedlichen, eleganten und schnellen Tiere hatten sich unsere Tosimotu zum spielen ausgesucht. Susi war schnell geweckt und an Schlaf nicht mehr zu denken. Zu aufgeregt waren wir. Die erste Begegnung, sie sprangen, drehten sich, zeigten uns ihren Bauch, spielte mit den Wellen um unseren Bug und tauchten unter uns durch. Unsere Bootsgeschwindigkeit mit zu schwimmen erschien für sie spielerisch möglich. Mit ein paar Schlägen ihrer Schwanzflosse waren sie uns enteilt, ließen sich zurück fallen, um dann wieder mit neuem Anlauf in unserer Bugwelle zu spielen. Wir konnten uns nicht satt sehen und fanden kaum Worte unsere Gefühle auszudrücken. So leise sie gekommen waren, so leise schwammen sie mit ihren stromlinienförmigen Körpern ihren eigenen Weg, nach einer viertel Stunde. Wir blieben zurück, hingen diesen magischen Momenten nach und die Zeit verstrich.
Die Nächten Tage waren wieder stärker geprägt von menschlichen Begegnungen. 😉 Aber nicht weniger schön. Bei unserem Stop in Camaret sur Mer trafen wir Angelika und Ludger von der Papillion, Frank von der Invidia und Ulrike und Pierre von der Dawn. Besucht wurden wir noch von meiner ältesten Tochter Swantje und ihrer Freundin Tamara, die auf dem Rückweg von ihrer dreimonatigen Wohnmobilreise durch Frankreich, Spanien und Portugal waren. Zwei wundervolle Tage verbrachten wir zusammen, ehe sich unsere Wege wieder trennten.
Nicht aus den Augen verloren wir in diesen Tagen natürlich die Wetterentwicklung über der Biskaya. Warteten wir doch auf ein günstiges Wetterfenster für einen dreitägige Offshoretörn über die Biskaya nach A Coruna, unser nächstes Etappenziel in Spanien.
Davon und von den Erlebnissen und Eindrücken dieser für Langzeitsegler wichtigen „Generalprobe“ gibt es dann im nächsten Blogbericht.