Winterquartier in Puerto Sherry
Das vergangene Jahr Teil 2
Wann genau wissen wir nicht mehr, aber irgendwann bekommt man mit, dass die Crews aus der Lossegler Community sich nach und nach mit dem Gedanken beschäftigen: Wo wollen wir den Winter verbringen? Also mussten auch wir uns zwangsläufig mit unserer „Zwangspause“ beschäftigten, denn der Winter in Spanien ist zum Ankern zu ungemütlich, ausserdem wollten wir von November bis März nach Düsseldorf. Zusätzlich machten wir uns Gedanken über verschiedene Veränderungen und Ergänzungen an unserer Tosimotu und beschäftigten uns mit der Frage, wo können wir diese zuverlässig und mit einer Topqualität ausführen lassen können. Wichtig für uns war natürlich auch, wo unsere Tosimotu in der Zeit unserer Abwesenheit gut behütet sei. Kurzum, wir suchten das für uns perfekte Winterquartier. Gar nicht so einfach dachten wir erst, doch wie meistens, liegt das Gute so nah, denn unsere lieben Freunde Ulrike und Pierre von der SY Dawn erzählten uns eines Abends von ihren Plänen, den Winter in Puerto Sherry bei Cádiz zu verbringen und überzeugten uns ebenfalls dort hin zu gehen. Die Entscheidung stellt sich als goldrichtig heraus, zum einen, weil niemand, nicht mal wir selbst uns in der langen Zeit unserer Abwesenheit so liebevoll und gewissenhaft um unser Böötchen gekümmert hätten, wie Ulrike und Pierre dies getan haben und zum anderen, weil die Abende und Ausflüge die wir vier zusammen erlebt haben für immer unvergessen bleiben werden!!! Von Bekannten, hatten wir den Tip für einen guten und zuverlässigen Segelmacher vor Ort bekommen, denn unsere Kuchenbude löste sich auf, eine neue sollte her. Ebenso machten sie uns bekannt mit dem im Hafen ansässigen Jaime Terrades Vital, von www.nautter.com. Er wurde für uns in der gesamten Zeit der zuverlässige Ansprechpartner der alle unsere Gewerke beaufsichtigte. Jederzeit hilfsbereit und freundlich hat er sich all unseren Fragen angenommen und stand uns fachlich kompetent und ideenreich zur Seite. Jaime hat eine Selden Vertretung und Kontakt zu einem Edelstahlbauer. Unsere beiden Rollfockanlagen litten unter erheblichen Verschleißerscheinungen und sollten Neu. Unser Strommanagement sollte erweitert werden. Dazu hatten wir entschieden uns einen Geräteträger bauen zu lassen, der sollte neben weiteren Solarpanels auch mit Davids bestückt werden, um das Dinghy transportieren zu können, den bestehenden Windgenerator integrieren und weitere Anbauteile tragen. Dies alles sollte nach unseren Ideen und Wünschen hergestellt werden. Die Gespräche führten zu weiteren Ideen und unsere Wünsche orientierten sich an dem technisch Möglichen. Die Aufträge wurden vergeben und wir machten das Schiff winterfest, was man sich in Südspanien am Atlantik so als Winter vorstellt, insbesondere gegen mögliche Stürme. Ende November flogen wir aus dem warmen Puerto Sherry ins frostige Corona-Düsseldorf. Das Wohl unserer Tosimotu lag jetzt in den gewissenhaften Händen von Ulrike und Pierre und die Gewerke lagen in der zuverlässigen Hand von Jaime. Das alles gab uns ein gutes Gefühl mit dem wir uns entspannt unseren Familien und Aufgaben in Deutschland widmen konnten. Trotzdem waren wir überglücklich nach einem viel zu nassen, kalten und langen Winter in Düsseldorf am 25.03.22 endlich zurück ins frühsommerliche Puerto Sherry fliegen zu dürfen. Dort erwartete uns sowohl Sonnenschein und über 20 Grad und wir tauschten umgehend die winterliche Kleidung gegen kurze Hose und T-Shirt, als auch Ulrike und Pierre mit Essen und Getränken auf der Dawn.
Wir hatten den Frühling überflogen. Vier weitere Wochen sollten allerdings noch vergehen, bis wir abfahrtbereit zu neuen Zielen im Mittelmeer waren. Die Rollreffanlagen waren innerhalb weniger Stunden montiert. Aber wie das so ist es kommt eines zum anderen. So musste von der Kutterfock noch das Vorliek verändert werden. Das neue Segel, welches wir uns noch vor Abfahrt in Brouwershaven bei www.hansesails.nl hatten fertigen lassen, war auf die alte Anlage angepasst. Der Duchmesser war zu groß und es musste ein neuer Kedder eingenäht werden. Der Segelmacher benötigte noch Zeit und die genaue Anpassung der Einzelteile der neuen Sprayhood und Kuchenbude wurde unter unserer in Augenscheinnahme vorgenommen und noch weitere individuelle Anpassungswünsche wie größere Fenster, konnten auch verwirklicht werden.
Es kam der Tag, an dem zum ersten Mal der Geräteträger in seiner voraussichtlichen Form angepasst werden sollte. Mit einer gehörigen Portion Anspannung aber auch Aufgeregtheit begann der Tag mit der Verlegung unserer Tosimotu an einen Steg, von dem aus das Bauteil aufs Schiff gesetzt werden konnte. Angespannt waren wir, ob alles so passte wie Monate vorher besprochen und ausgemessen worden war. Aufgeregt, wegen der baulichen Veränderung und ob die Gesamtoptik nicht unsere Tosimotu zum Nachteil verändern würde. Aber was soll ich sagen, Jaime und der Edelstahlbauer hatten ganze Arbeit geleistet. Der Träger passte, die Optik gefiel uns ausgesprochen gut und es passte sich ins Gesamtbild ein. Jetzt hatten wir ein richtiges Langfahrerboot. Die weiteren Details wurden final besprochen und der Geräteträger ging zur Fertigstellung noch einmal in der Werkstatt.
Mit all den positiven Erlebnissen und Eindrücken nahmen wir uns ein paar Tage Auszeit. Wir wollten Sevilla und Cádiz erkunden, Cádiz und wenn wir schon einen Mietwagen hatten, sollte auch ein Großeinkauf getätigt werden. Die Woche vor Ostern war genau die Richtige dafür. Wir erlebten Sevilla in Vorbereitung auf die wichtigste Festivität im Jahr: Die Karwoche. Die Stadt wurde herausgeputzt und geschmückt mit roten Fahnen und Teppichen, tausende von Stühlen wurden aufgestellt, damit die Gäste den aufwendig gestalteten Prozessionen folgen konnten und überall in der Stadt herrsche eine große Betriebsamkeit. Die Karwoche ist in Sevilla und vielen anderen Städten Andalusien ein katholisches Fest mit einer Tradition über hunderte von Jahren. Wir wurden mitgerissen von einem feien Duft aus Weihrauch der die gesamte Stadt durchwehten. Das schon sommerliche Sevilla mit seiner Kathedrale und der Giralda, dem Königspalast Alcázar und seinen Gärten und den Plaza de España mit samt seinem Park und der schönen Uferpromenade entlang des Flusses Guadalquivir hat uns unglaublich gut gefallen.
Eine Prozession die von Bruderschaften und Büßergruppen gestaltet wird haben wir dann in Cádiz erlebt. Mit den Prozessionen wird an die Passion und den Tod Jesu erinnert. Wir spürten wie die Leidenschaft der gestaltenden Gruppen sich auf uns und auf die Zuschauer in den prachtvoll geschmückten Straßen übertrug. Das Zusammentreffen der Heiligenfiguren und der Zuschauer führt zu einer Stille die nur unterbrochen wir von den rasselnden Ketten an den Fußgelenken der Büßer und dem klopfenden Taktgeber der den Rythmus der durch die Straßen wandernden Prozession angibt. Für uns unvergessliche Tage und Erlebnisse.
Ohne ein Erlebnis wollten wir aber unser Winterquartier nicht verlassen. Wie die Überschrift schon sagte waren wir in einem Hafen im Sherry Gebiet von Spanien. Ein Besuch in einer Sherrymanufaktur und eine Sherryprobe war ein Muss. Gemeinsam mit Ulrike und Pierre wurden wir eingeweiht in der Geheimnisse der Sherryherstellung und unsere Geschmacksnerven wurden anschließend einer intensiven Sherryverkostung unterzogen bei der jeder von uns einen anderen Favoriten für sich entdeckte. Natürlich wurde im Anschluss auch die eine oder andere Flasche gebunkert.
Es kam der Tag an dem unser neuer Geräteräger zur Endmontage an unserer Tosimotu bereit stand. Kurzfristig war für zwei Tage ein Krantermin und Standplatz in der Werft organisiert. Der Edelstahlbauer bat darum, nicht auf einem sich bewegenden Schiff die finale Befestigung vornehmen zu müssen. Und auch die Montage der festen Seereling wäre so einfacher. Wir nutzen die Gelegenheit und reinigten unser Unterwasserschiff, und feierten uns für die Entscheidung, im letzten Jahr soviel Geld, Schweiss und Tränen ins Coppercoat investiert zu haben, denn der grüne Flaum am Rumpf war nach zehn Minuten Kärchern komplett weg. Kein hartnäckiger Belag, kein Müschelchen haftete an unserer Tosimotu.
Nach dem alle Schweißarbeiten erfolgreich erledig waren und unser Böötchen wieder schwamm, musste natürlich die ganze Elektrik für die Solarpanele, den Windgenerator und alle Antennen von uns noch verlegt und angeschlossen werden. Nach unzähligen „Abschieds-Abenden“ mit den Dawns, weil wir uns irgendwie nicht trennen konnten, haben wir am 24.04.2022 nach genau 161 Tagen dann doch endgültig Puerto Sherry verlassen mit Kurs auf Gibraltar und das Mittelmeer.